Selfies sind „in“, und jeder möchte auf einem Selfie originell und vor allem gut aussehen. Was früher einzig in der Werbebranche durch professionelle Fachkräfte manipuliert wurde, um Prominente auf Fotos schön aussehen zu lassen, wird nun jedem Smartphone-Nutzer durch entsprechende Apps ermöglicht: Immer mehr Menschen, insbesondere Frauen, posten nicht ich natürliches „Ich“, sondern verzerren ihr Äußeres, indem sie ihrem vermeintlichen Abbild zum Beispiel weißere Zähne, glattere Haut oder sogar kräftigere Lippen verpassen.
Das Bild im Netz soll perfekt sein. Ungeschönte Bilder werden von vielen Nutzern als minderwertig angesehen. Dieser Entwicklung sehen viele Mediziner mit Sorge entgegen, denn das permanente Aufhübschen der Bilder kann bei vielen Menschen zu einer gefährlichen Verzerrung des Körperbildes und somit zu einer krankhaft gestörten Selbstwahrnehmung führen, der sogenannten „körperdysmorphen Störung“.
Die Betroffenen bilden sich einen Mangel an ihrem Äußeren ein, obwohl dieser nicht gegeben ist. Hinzu kommt, dass die inneren Werte einer Person durch das permanente Posten der geschönten Selbstportraits zunehmend in den Hintergrund gedrängt werden.
Um dieser Entwicklung näher auf den Grund zu gehen, wurden im Rahmen einer australischen Studie 101 junge Mädchen befragt. Sehr schnell fiel den Wissenschaftlern dabei auf, dass die Verschönerung der Selfies um so extremer war, je unzufriedener die Mädchen mit ihrem Aussehen und ihrer Körperfigur waren. Viele von ihnen zeigten zudem Probleme im Essverhalten.
Alle Mädchen, die sich für das Netz phototechnisch verschönerten, legten besonders großen Wert auf die Beurteilung ihrer eigenen Person durch andere. Von außen auferlegte Schönheitsstandards, die es von Natur aus nur sehr selten gibt, scheinen den betroffenen Frauen als Ideal zu dienen.
Die besorgniserregende Entwicklung der Körperdismorphie führt dazu, dass immer mehr Menschen sich in Anlehnung an die gehübschten Bilder auch in ihrer realen Welt ein entprechendes Äußeres wünschen und mit diesen Bildern einen Schönheitschirurgen aufsuchen.
Viele Wissenschaftler schlagen Alarm, denn zum einen seien viele Verschönerungswünsche, die aus einer App entstammen, nicht realisierbar. Zum anderen benötigten die Betroffenen eher einen anderen therapeutischen Ansatz als durch einen Schönheitschirurgen. Eine entsprechende Körperdismorphie sollte eher vom Psychotherapeuten behandelt werden, damit die Betroffenen die gesunde und unverzerrte Einstellung zum natürlichen „Ich“ zurückgewinnen.
Neelam A. Vashi et al.
Selfies - Living in the Era of Filtered Photographs
JAMA Facial Plast Surg
8/2018